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Aus Beiträge zur Stadtgeschichte * Band I von 1965

HANS-RUDOLF THIEL

Schützenfest im 19. Jahrhundert

Es mag sonderbar erscheinen, über das Leben und Treiben an Sonn- und Feiertagen im alten Buer ausgerechnet aus einer Akte der Ordnungs- und Sittenpolizei der Bürgermeisterei Buer Auskunft zu holen. Da es sich jedoch um eine »Acta betreffend Schützenfeste« handelt, wird zwischen dem Amtsdeutsch manches lebendig, was die Bevölkerung der hiesigen Kirchspiele im Laufe des vergangenen Jahrhunderts bewegt hat.

Am Anfang dieser Akte ist ein Amtsblatt der königl. Regierung zu Münster Nr. 23 vom 7. Juni 1828 eingefügt, in dem es heißt:
»Ein kürzlich im hiesigen Regierungsbezirke bei Gelegenheit eines Vogelschießens stattgehabter großer Unglücksfall, wobei fünf Personen durch ein mit zerhauenen Kugeln geladenes Gewehr zum Theil schwer und lebensgefährlich verwundet worden, führt zu der Überzeugung, daß diese Belustigungen nicht mit der Vorsicht, welche die Sorge für die Erhaltung der Gesundheit und des Lebens erheischt, vorgenommen werden.
Wir machen dies nicht nur zur Warnung bekannt, sondern bestimmen unter Verweisung auf die Vorsicht gebietende Verordnung vom 27. August 1816 (Amtsblatt S. 70) dabei noch folgendes:
1.  Es darf kein Scheiben- und Vogelschießen weniger als 400 Schritt oder 1000 Fuß von öffentlichen Wegen und bewohnten Häusern entfernt seyn, es sey denn, daß bei Scheibenschießen förmliche Schießstände und hinreichend hohe und sichernde Kugelfänge angelegt sind.
2.  Dergleichen Schießübungen dürfen auch da, wo sie regelmäßig wiederkehren, nicht anders stattfinden, als mit Erlaubniß des Bürgermeisters, welcher sie schriftlich, nachdem er sich von den Sicherheitsmaßregeln überzeugt, zu ertheilen oder zu verweigern hat.
3.  Es ist Pflicht des Bürgermeisters, bei diesen Versammlungen die nöthige polizeiliche Aufsicht selbst zu handhaben, oder handhaben zu lassen.
4.  Außergewöhnliche Scheiben- und Vogelschießen können nur unter ausdrücklicher Genehmigung des Landraths, und nur dann statthaben, wenn die Überzeugung gewonnen, daß Unglück durch die dargethanen Sicherheits-Maßregeln nach Wahrscheinlichkeit nicht zu befürchten ist. Vogelschießen dürfen in der Regel nur bei wirklichen Schützengesellschaften nachgelassen werden, da dabei die Gefahr des weiten Tragens der Kugeln größer ist.
5.  Es sollen bei jeder Schützengesellschaft zur Erhaltung der guten Ordnung und Verhütung von Gefahr Konventionalstrafen eingeführt, und es muß auf deren Erlegung von dem Schützenvorstande gehalten werden.«

Im November 1829 weist der landrätliche Commissar in einem Schreiben an die Herren Bürgermeister von Bottrop und Buer noch darauf hin, »daß in einem Kirchspiel vier Schießfeste eingeführt, diese vom Sonntag Nachmittag bis zur Mitte der Woche anhalten, selbst wohl in der folgenden Woche erneuert und an den verschiedenen Orten an verschiedenen Tagen abgehalten werden.«
In sehr ausführlichen Einzelheiten wird in dem Schreiben alles angeführt, was gegen die polizeilichen Vorschriften verstößt, wie »Fortsetzung der Tanzlustbarkeiten nach Eintritt der Dämmerung«. Dennoch soll gerade den Schützenfesten eine schonende Behandlung zuteil werden, da sie unter allen Festen »unbedingt die erste Stelle« einzunehmen haben.
Wörtlich heißt es dann:
»Ich erwarte, da der Herr Oberpräsident eine Übersicht von den bestehenden Schützen-, resp. Schießfesten verlangt, Ihre Ansichten über die bevorstehenden Vorschläge mit Ihrem Gutachten, begleitet von einer tabellarischen Nachweisung unter nachstehenden Rubriken: Ort, Zusammensetzung, Jahr der Errichtung, Datum der Genehmigung, Statuten (wo vorhanden, abschriftlich beifügen), Tage und Dauer des Festes, Vermögen der Gesellschaft, Jahresbeiträge der Mitglieder wirklicher Schützengesellschaften, Anzahl der Mitglieder.«

Die etwas lakonische Erwiderung des Bürgermeisters Wilhelm Tosse¹ vom 9. Dezember 1829 auf diesen bürokratischen Erlaß lautet:
"Die Schützengesellschaften zu Buer, Horst und Gladbeck bestehen bloß aus Junggesellen. Dagegen ist jene aus Westerholt aus Männern und Junggesellen zusammengesetzt. Keine dieser Gesellschaften hat bestimmte Statuten, noch eigenes Vermögen. Jeder Kirchspiel-Ein-gesessene kann nach Belieben gegen einen bestimmten Beitrag, welcher jedoch vor dem Abschießen erlegt werden muß, an dem Feste theilnehmen, und es wird von der Polizey strenge darauf gesehen, daß die höheren Orts vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln überall beachtet werden.
Im allgemeinen nehmen an den hiesigen Schützenfesten nur die jungen Leute aus den Dörfern, welche das 18. Jahr zurückgelegt haben, und deren Zahl sich selten über 20 beläuft, theil, da die Junggesellen aus den Bauerschaken durchaus keine Lust zur Theilnahme bezeugen, wird hier wohl nie eine förmliche Schützengesellschaft von einiger Bedeutung zustandekommen, weshalb ich eine nähere Äußerung über die gemachten Vorschläge, die mir übrigens sehr zweckmäßig erscheinen, für unnötig finde; da, wie schon oben gesagt, die Schützen- resp. Schießfeste zu Buer, Westerholt, Horst und Gladbeck ohne feste Regeln bestehen, so scheint mir die Vorlage eines Separatnachweises derselben überflüssig zu sein.«²

Im gleichen Schreiben weist Bürgermeister Tosse noch darauf hin, daß die Schützen- resp. Schießfeste in der Art stattfinden, daß
»gewöhnlich zu Buer und Gladbeck jährlich ein Vogelschießen, zu Horst ein Scheibenschießen und zu Westerholt alle drei Jahre ein Vogelschießen veranstaltet wird. Zu Buer, Gladbeck und Westerholt haben die Volksfeste an einem unbestimmten Tage statt. Zu Horst aber wird das Scheibenschießen an dem Festtage des Kirchpatrons abgehalten.³ Diese Schießfeste halten in der Regel nur einen Tag, nie aber länger als zwei Tage an, und es finden dabei äußerst selten Exzesse statt.«

Übrigens führte die Anordnung der königlichen Regierung über die polizeiliche Sicherung der Ordnung bei Schützenfesten nicht selten dazu, daß die Vorstände der Schützengesellschaften sich der Polizeiorgane bedienten, um sie nach ihren eigenen Weisungen einzusetzen. Das widersprach natürlich dem Wesen der Staatsgewalt. Am 13. August 1834 fertigte der Landrat eine Abschrift einer königlichen Verordnung vom 2. August an die Bürgermeister zu Bottrop und Buer aus, in der es heißt:
»Die Beauftragung der Gendarmerie mit Handhabung der Polizei bei den Schützenfesten und vorzüglich die Unterordnung derselben unter die Vorstände der Gesellschaft hat zu verschiedenen unangenehmen Kollisionen Veranlassung gegeben und nicht selten eine Kompromittierung der Polizeibehörden herbeigeführt.«

Der im März 1835 eingereichte Entwurf der Statuten für den Schützenverein zu Buer sah sogar vor, daß etwaige Restanten der Beitragszahlung »sich der polizeilichen Beitreibung« unterwerfen sollten.
Die königliche Regierung zu Münster, Abtl. des Inneren, schickte die Statuten am 5. Mai 1836 mit der Bemerkung zurück,
»daß nach Verfügung des Herrn Oberpräsidenten (Name unleserlich) darin folgende Abänderungen zu machen sind:
1. Zur Feier des Festes ist ein bestimmter Tag, der 18. Juny oder 3. August, festzusetzen.
2. ist statt des 18. Lebensjahres das vollendete 20. zur Bedingung des Eintritts zu machen.
3. muß der Satz  ETWAIGE  RESTANTEN  UNTERWERFEN SICH DER  POLIZEILICHEN BEITREIBUNG  wegbleiben, weil die Polizei sich hiermit nicht befassen kann, sondern dieses dem Vorstande überlassen muß.«
Die weiteren Abänderungen betreffen die Uniformierung des Obersten und Majors, die Einschränkung von Versammlungen und des Vogelschießens auf jeweils nur einen Tag.

Ein charakteristisches Zeitmerkmal, das den Vereinsstatus der Schützengilden und Schützengesellschaften im 19. Jahrhundert kennzeichnet, wird deutlich, wenn man die Stellungnahme der Generalversammlung des Buerschen Schützenvorstandes vom 4. Januar 1838 zu dem Bericht der königlichen Regierung von 1836 erfährt. Da wird zu dem Bemerken, daß zur Feier des Schützenfestes ein immer gleich bleibender Tag anzusetzen sei, erklärt, das ginge aus zweierlei Gründen nicht. Einer der Gründe ist durchaus plausibel. Ein feststehendes Datum wird zumeist nicht gerade auf einen Sonntag fallen und macht dann das Fest von vornherein unmöglich.
»Zum anderen (so besagt das Versammlungsprotokoll) könne auch zu der festgesetzten Zeit ein Militair-Manöver stattfinden, wodurch alsdann die Gesellschaft den größten Theil der Schützen entbehren würde, ja das Fest wegen Mangel an Schützern garnicht einmal gefeiert werden könne.«

Die Schutzaufgabe, die den Schützengilden in den voraufgegangenen Jahrhunderten zufiel, wurde inzwischen längst vom preußischen Staat und seinen militärischen Organen übernommen. Die Schützen waren gleichzeitig Reservisten, die regelmäßig an Übungen und Manövern teilzunehmen hatten und dann als Schützen (sprich als Vereinsmitglieder) ausfielen. Die Schützenvereine genossen ihr Ansehen als Brauchtumsträger, nicht mehr dagegen als Zweckverband, was sie ursprünglich einmal waren, Die Frage, seit wann die Schützengilden ihr seit dem Mittelalter geübtes Vogelschießen mit der Ernennung desbesten Schützen zum Schützenkönig verbanden, wird in diesem Zusammenhang noch näher erforscht werden.

Die Statuten der Buerschen Schützengesellschaft hatten für das Vogelschießen folgende, heute nur mit Schmunzeln zu lesende Festverordnung vorgesehen,
»§ 22:  Wer das letzte Stück des Vogels abschießt, wozu außer dem Vogel selbst auch die denselben umgebenden eisernen Beschläge gehören, ist König . . .
  § 23: Ist am ersten Festtage der Vogel noch nicht abgeschossen, so . . .
  § 24: wird am folgenden Morgen, wie am vorigen Tage, wieder ausmarschiert und das Schießen fortgesetzt.
  § 25: Mögte der Fall eintreten, daß das letzte Stück des Vogels am ersten Tag herunter-geschossen wurde, so wird ein neuer Vogel aufgesetzt und hat das Abschießen des vorigen Tages keine Ansprüche auf die Königswürde oder sonst einer Auszeichnung."
Es erscheint verständlich, daß der königlichen Regierung zu Münster angesichts solcher Schießvorschriften Bedenken kamen; denn der beste Schuß – und das dürfte ja wohl der Königsschuß gewesen sein – geschah im Namen Seiner Majestät und war von den Schützengesellschaften der Abteilung des Inneren der königlichen Regierung anzuzeigen (Akt. Z. 9/11 1294 vom 11. November 1841 an den Herrn Lanchath zu Welheim) und mit einer Prämienzahlung zu begleiten. Auf diese Prämienzahlung wurde seit Januar 1842 (gemäß einem Schreiben vom 17. Januar 1842) laut »Allerhöchster Cabinetts-Orche« verzichtet.

In den 50er Jahren sind es in erster Linie die Schützengesellschaften zu Horst und Westerholt, die um Genehmigung von Schützenfesten bitten. Amtmann Felix Hölscher erteilte die Genehmigung immer wieder nur unter der Bedingung, daß die Erhaltung der Ordnung und die Verhütung von Gefahren unter Androhung von Konventionalstrafen Beachtung fänden.

Die Westerholter Schützen gaben für ein Scheibenschießen am 25. August 1856 folgende »Ordnung beim Schießen« heraus:
»1.  Ein jeder der mitschießt, ist verpflichtet sich vom laden zehn Schritte mit der Pfeife zurückhalten.
 2.  Ein jeder ist verpflichtet sich zurückzuhalten von demjenigen der schießt und das überhaubt keine Unordnung dabei vorkomt«
(gez. Joh. Kapelle, Her. Breilman, Franz Meßmacher).
Dieser »Ordnung« fügte Amtmann Hölscher hinzu:
»Dem Polizeidiener Kranefeld wird hierdurch Auftrag ertheilt, an Ort und Stelle den Scheibenstand in Beziehung auf die Gefahrlosigkeit zu prüfen und das Schießen selbst zu überwachen. Buer, den 23. August 1856. Der Amtmann, gez. Hölscher«
Den Westerholtern zur Ehre gereicht der polizeiliche Nachsatz vom 25. August:
»Das Schießen ist in meiner Gegenwart geschehen; es war keine Gefahr damit verbunden und alles ging in schönster Ordnung vonstatten. gez. Kranefeld«

Nicht immer ging es bei den Schützenfesten so harmonisch zu. Am 11. Juli 1882 trug das Festkomitee des bis dahin noch nicht wieder förmlich konstituierten Buerschen Schützenvereins unter seinem Vorsitzenden Grollmann dem Amtmann den Wunsch »von mehreren Eingesessenen der Gemeinde Buer« vor, »in diesem Jahr ein allgemeines Schützenfest zu feiern«.
»Das Zelt soll auf der dem Kötter Schlatholt, gt. Nolle, zu Bülse gehörigen, an der Chaussee nach Gladbeck auf dem sgt. Beerenkamp gelegenen Weide, errichtet werden. Auf demselben Grundstück soll auch die Vogelstange aufgestellt werden.
An den kommenden 3 Sonntagen wird eine Übung des Schützenbataillons stattfinden und beabsichtigt dasselbe geschlossen zum Exercierplatz und zurück zu marschieren. Wir bitten zu diesen Aufzügen die Genehmigung ebenfalls ertheilen zu wollen.«
Die Antwort lautete:
«Buer, den 18. July 1882
Auf die Eingabe vom 11. cur. ertheile ich dem geehrten Comitee zu der programmäßigen Feier eines allgemeinen Schützenfestes nebst den damit verbundenen öffentlichen Aufzügen hierdurch gern die polizeiliche Erlaubniß. Ich bin überzeugt, daß das Comitee die nötigen Anordnungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit treffen wird und bin gern bereit, nötigenfalls durch die verfügbaren Polizeimannschaften zu unterstützen.
Der Amtmann gez. H.«

In einem Nachsatz schrieb Amtmann Hölscher:
»Bei den allgemeinen Bürgerschützenfesten, welche hier 1835/36 gefeiert wurden, beschaffte die constituierte Schützengesellschaft eine Dekoration für den Schützenkönig, bestehend in einem silbernen Vogel nebst Verzierung.
Diese Dekoration wurde später dem Gemeindevorstand zur Aufbewahrung übergeben.
Dem geehrten Comitee überreiche ich anliegend diese Dekoration zur beliebigen Benutzung bei der in Aussicht stehenden Festfeier und mit dem Ersuchen, dieselbe später zur ferneren Aufbewahrung im Gemeindearchive gefälligst zurück zu geben.
Der Amtmann gez. H.«

Im Nachsatz zur Festordnung des allgemeinen Schützenfestes zu Buer am 6. und 7. August 1882 schreibt Amtmann Hölscher:
»Beim Königsball kamen heftige Differenzen vor zwischen dem Oberst Stennes einer- und dem König, Ch. Brüning, andererseits.
Auf Seiten des Königs stand der Hof, das Ganze Comitee und auch fast alle Offiziere.
Oberst Stennes hatte das Schützenbataillon auf seiner Seite, und ein Theil der Schützen nahm schließlich eine so chohende Haltung gegen den Thron ein, daß der König und sein ganzer Anhang gegen 12 Uhr die Flucht ergriff.
Durch diesen unangenehmen Zwischenfall hat der Wirth, Ant. Brinkmann als Unternehmer des Festes großen Schaden erlitten.«

Bei den Schützenfesten in Horst war man entschieden vorsichtiger in der polizeilichen Beaufsichtigung der Feste. Für das am 18. September 1855 stattfindende Horster Schützenfest beantragte der Amtsvorsteher Kracht beim Buerschen Amtmann Hölscher um Bereitstellung einiger »Gensdarmen«.
»Ich halte dieses umso notwendiger, weil das erbaute Zelt dem Dorfe weit entfernt liegt und ich aus die unterschriebene Schützenliste ersehen habe, daß sehr viele Bergleute aus Altenessen Theilnehmer dieses Festes sein werden.«

Auch für das 1870 geplante Fest (es wurde wegen der eingetretenen Mobilmachung nicht mehr durchgeführt) hatte Amtsvorsteher Kracht wieder seine Bedenken angemeldet,

»Ich erlaube mir, Euer Wohlgeboren ganz gehorsamst darauf aufmerksam zu machen, daß bei dem letzten Schützenfest (1865) eine große Unordnung durch das unvernünftige Galoppieren der Pferde über den Straßen stattfand. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn Euer Wohlgeboren bei Ertheilung der polizeilichen Erlaubniß dahin wirken wollen, daß innerhalb der geschlossenen Ortschaft unbedingt das zu starke Jagen mit den Pferden verboten würde.«

Ein Zeitbild der bergbaulichen Entwicklung bietet die Stellungnahme des Buerschen Amtmannes vom 20. August 1879 auf ein Gesuch zur Durchführung eines Bürgerschützenfestes in der Horster Mark am 30. und 31. August des gleichen Jahres. Amtmann Hölscher schreibt darin an den Landrat von Reitzenstein:
»Keine Ortschaft im Regierungsbezirk Münster hat mehr unter der Ungunst der Zeitverhältnisse zu leiden als die zur Gemeinde Horst gehörige Horster Mark. Die Eingesessenen gehören der Arbeiterbevölkerung an. Sie leben nur von dem kargen Lohn, den sie auf der Zeche Nordstern und den benachbarten Zechen verdienen.
Viele dieser Bergleute haben sich in den Jahren 1865-74 dort angesiedelt. Sie kauften ein Grundstück und bauten ein Haus, ohne die nötigen Mittel dazu zu besitzen. Bei den sehr hohen Löhnen, welche die Bergleute in der damaligen Zeit des Aufschwungs aller industriellen Verhältnisse verdienten, konnten sie die Schuldenzinsen bezahlen und bei weiser Sparsamkeit auch allmählich ihre Schulden tilgen. Gegenwärtig ist es ihnen bei der größten Sparsamkeit kaum möglich, die Zinsen zu zahlen.
Da aber die meisten Bergleute das Sparen verlernt haben, so häufen sie die Zinsen auf das Kapital, und das Besitztum geht zugrunde. Es folgt in der Horster Mark Subhastation (Enteignung) auf Subhastation; die Bergmannshäuser werden zu wahren Schleuderpreisen verkauft. Die besitzlosen Bergtagelöhner leben in den gedrücktesten Verhältnissen; sie können kaum noch soviel verdienen, daß sie ihre Mieten zahlen und für ihre Familie Brod haben. Trifft die Familie das geringste Unglück, wird der Vater krank oder bei der Arbeit verletzt, so fällt sie sofort der öffentlichen Armenpflege anheim. Die Unterstützungsgesuche mehren sich in erschreckender Weise. Gegenwärtig werden in der kleinen Gemeinde Horst 28 Familien mit einem Kostenaufwand von jährlich etwa 4500 Mark unterstützt. Diese gehören fast sämtlich der Horster Mark an. Unter diesen traurigen Verhältnissen scheint mir die Feier eines Schützenfestes nicht angemessen und die Verweigerung der polizeilichen Erlaubniß zulässig zu sein. Die Feier ist mit den 2 in Aussicht genommenen Tagen nicht abgemacht. Es finden schon 8 Tage vor dem Fest täglich Zusammenkünfte statt, und die Nachfeier bleibt auch nicht aus. An den Tagen, wo gefeiert wird, kann garnicht oder nicht gehörig gearbeitet werden, und die letzten Groschen werden in Wirtshäusern vergeudet. Nach der Feier werden dann die Ziegen verkauft, und Frau und Kinder müssen hungern.
Die Vorstandsmitglieder, denen ich meine vorstehend entwickelten Gründe für meine Verweigerung der polizeilichen Genehmigung mittheilte, haben sich dann nicht allein bei Euer Hochwohlgeboren sondern auch bei der Königlichen Regierung beschwert. In ihrer Eingabe suchen sie die Sache so darzustellen, als wenn sie das Schützenfest zur Feier des Sedantages veranstaltet hätten. Die Absicht ist offenbar nur, die Königliche Regierung geneigt zu machen, mich zur Ertheilung der polizeilichen Erlaubniß zu zwingen.«

Landrat von Reitzenstein antwortete den Horster Schützen:
»Auf das unter dem 16. August auf meinem Büreau zu Protokoll gegebene und gleichzeitig an die Königliche Regierung gerichtete Gesuch eröffne ich Ihnen, daß ich die Weigerung des Herrn Amtmanns Hölscher, Ihnen zur Zeit der Abhaltung eines Schützenfestes in der Horstermark zu gestatten, zwar begründet finde, in betreff des patriotischen Charakters, welchen Sie diesem Fest beilegen wollen, Ihnen jedoch die Abhaltung einer Sedanfeier am 31. August c. in der Form eines Schützenfestes hiermit gestatte, wobei ich voraussetze, daß Sie die Feier wirklich in eine dem patriotischen Sinn derselben offenbare Form einkleiden, damit Ihnen nicht der Vorwurf gemacht werden kann, daß Sie die Gestattung der Sedanfeier nur beantragt haben, um die Erlaubniß zur Abhaltung eines gewöhnlichen Schützenfestes zu erlangen.«

In einem Zusatz: »Urschriftlich u. B. d. R. an den Herrn Amtmann Hölscher in Buer zur Kenntnisnahme« heißt es dann:
"Mit Rücksicht auf die durch dem Herrn Präsidenten resp. dem Königlichen Regierung gegebenen Direktion nehme ich Anstand, Ihren abweisenden Bescheid vom 15. d. M. aufrechtzuerhalten. Ich werde die abändernde Verfügung jedoch so fassen, daß ich Ihnen zunächst beitrete und das Fest nur mit Rücksicht auf dem patriotischen Charakter, welcher demselben gegeben werden soll, gestatte.
Recklinghausen, den 23. August 1879
Der Landrat, gez. von Reitzenstein«

Am 27. August l879 remittierte Amtmann Hölscher den Bericht gehorsamst und fügte in einem Rückzugsgefecht die folgenden Sätze hinzu:
»Wenn die Feier eines Sedanfestes erlaubt wird, ohne daß Statuten und Verzeichniß der Mitglieder und des Vorstandes vorliegt, so ist es schwer, die Ordnung aufrecht zu erhalten oder, wenn Unordnungen vorkommen, die Strafbaren zu fassen.
Ew. Hochwohlgeboren bitte ich so dringend wie gehorsamst, meinen Randbericht vom 20. August . . . der Königlichen Regierung nachträglich vorzulegen, damit ich nicht in den Verdacht komme, daß ich eine patriotische Feier ohne Grund habe verhindern wollen.
Der Amtmann gez. H.«

 

Tosse  Holscher

 

 

  1. Wilhelm Tosse, geb. 1788, als Sohn einer buerschen Patrizierfamilie, war von 1820 bis 1855 Bürgermeister von Buer. T. betäügte sich als Chronist heimatgeschichtlicher Belange. Nach ihm wurde die zwischen Rathaus und Choste-Hülshoff-Mädchengymnasium gelegene Tossestraße benannt.
  2. Sechs Jahre später, im Juni 1835, berichtet Bürgermeister Tosse dem Landrat: „Es hat sich im v. J. hierselbst eine Schützengesellschaft gebildet und diese sich auf das ganze Kirchspiel Buer ausgedehnt. Das erste allgemeine Schürzenfest hatte am 9. und 10. August statt (1834) und waren hierzu vorläufige Statuten entworfen. Da die Schützengesellschaft eine förmliche Corporation zu bilden beabsichtigt und die hiermit verbundenen Rechte zu erlangen wünscht, so wird um gefällige Erwirkung der hohen Genehmigung der vorliegenden Statuten gebeten."
  3. August: St. Hippolytus-Tag
  4. Felix Hölscher, Neffe von Bürgermeister Tosse, geb. 1828, war von 1855 bis l883 Amtmann und Bürgermeister von Buer. Als Rechtsgelehrter und Geodät errichtete er in Buer das Amtsgericht, die Rektoratsschule (1858) und beschäftigte sich nebenberuflich mit der Katastervermessung des Kirchspiels Buer. Hölscherstraße am Polizeipräsidium.
  5. Die silberne Schützenkette gehört heute noch zum Fundus des Schützenvereins Buer 1769.
  6. Bereits zu Beginn des Jahrhunderts und wahrscheinlich schon früher war es Brauch, die Insignien des Schützenkönigs auf dem Amt aufzubewahren und zu den Schützenfesten auszugeben. In einem Schreiben an den Bürgermeister von Buer meldet «der Gladbecker Gemeinderath Kocks:
    ,,Die hiesige Schützengesellschaft, wozu außer den früher satzungspflichtigen Einwohnern des Dorfes Gladbeck sämtliche Bauern und einige wenige Pferdekötter hiesigen Kirchspiels mit Ausschluß der Eingesessenen der Brauckbauerschaft gehören, besitzt einen silbernen Vogel mit vier gleichen Platten und Kette, womit der jedesmalige Schützenkönig ausgeschmückt wurde und dann bis zum nächsten Vogelschießen in seinem Verwahr verblieb. Das letzte derartige Vogelschießen hatte im Jahr 1804 oder 1805 statt, wobei der Höfener Wehling zu Ellinghorst als Schützenkönig ebenfalls mit vorerwähntem Schmuck ausgezeichnet worden ist. Dieser soll dem sicheren Vernehmen nach den besagten Schützen-Königs-Ornat auf dem ehemaligen Mairie-Bureau von Kirchhellen, wohin Ellinghorst früherhin gehörte, deponirt haben, und derselbe bis heran noch nicht zurückgegeben scyn.
    Auf Ansuchen mehrerer Mitglieder der Schützengesellschaft erlaube ich mir daher, dieses Euer Wohlgeboren andurch anzuzeigen mit der ergebensten Bitte, den erwähnten Königsschmuck nach vorheriger Vernehmung des Wehling als Eigenthum der hiesigen Schützengesellschaft zu reklamiren und sodann durch Ihre Ermunterung das früher gebräuchliche Vogelschießen der hiesigen Schützengesellschaft als ein den Vaterlands-Sinn belebendes Volksfest wieder zu veranlassen.
    Gladbeck, den 4. August 1822
    Der Gemeinde Rath, gez. Kocks".
    Bei seiner Vernehmung erklärte Wehling, daß der Königsschmuck ,,keineswegs auf der Verwaltungsstube deponiert" sei sondern sich in seinem Besitz befinde und für das Schützenfest auch zur Verfügung stünde.

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